07 Juni 2014

Functional Training vs. Athletik Training (Teil I)


Functional Training versus Athletik Training? Nein, nicht gegen, miteinander! Hiermit soll dargestellt werden, welche Ziele und Inhalte ein funktionelles Training und eine athletisches Training haben. Es kursieren viele Meinungen rund um das Thema Functional Training. Um dieses wertvolle Thema nicht zur Büchse der Pandora werden zu lassen, dient dieser Artikel zum Verständnis, zur Diskussionsgrundlage und zur Kompetenzermittlung für Trainer.

Die Funktion
Im Begriff funktionelles Training steckt das entscheidende Wort, Funktion! Lt. Definition bezeichnet Funktionalität die Fähigkeit einer Komponente, eine bestimmte Funktion oder Anzahl an Funktionen zu erfüllen. Dies bezieht sich vor allem auf die Gebrauchstauglichkeit (=Functional Rehab). Kann nun Gebrauchstauglichkeit das Ziel für unseren Körper sein? Ja! Viele Menschen sind nicht in der Lage im Sinne einer schmerz- und problemfreien Alltagstauglichkeit ihren Körper so zu benutzen, wie er es können sollte. Dies gilt es zu erreichen. Aber auch das kann nicht das Ende der Fahnenstange sein. Aber zunächst soll mit weiteren Begrifflichkeiten aufgeräumt werden.


Viele bezeichnen das funktionelle Training als zweckmäßig. In diesem Begriff steckt der Nutzen aus einer individuell notwendigen Maßnahme. Muss diese zwangsläufig funktionell sein? Nein! Beispielsweise der austherapierte Kreuzbandpatient, der nach abgeschlossener Heilbehandlung und Physiotherapie noch wesentlich atrophiert (hier: Atrophie = Muskelabbau) nun am Beginn seines Aufbautrainings steht, wird als eine der ersten Maßnahmen u.a. den Aufbau seiner kniestabilisierenden Muskulatur in Angriff nehmen. Hier können auch Übungen und Trainingsgeräte wie z.B. die geführte Kniebeuge an der Beinpresse zweckmäßig sein, da sie es ihm erlaubt erste höhere Intensitäten, dosiert, sicher und kontrolliert abzuleisten. Gleichzeitig kann ein kontrolliertes, isoliertes Kraft- und Beweglichkeitstraining der entsprechenden  Muskulatur sinnvoll und notwendig sein. Man kann diese Übungen aber nicht als funktionell bezeichnen da eine wichtige Voraussetzung zur Förderung körperlicher Funktionalität fehlt, der Einfluss der Schwerkraft auf den Bewegungsapparat.

Unsere Erde und ihre Schwerkraft
Eine wichtige Eigenschaft funktioneller Übungen ist die Tatsache, dass der Trainierende „ground based“ ist bzw. steht. Das heißt der Sportler leistet Bewegungsmuster mittels Übungen ab, bei denen er mit beiden Beinen oder zumindest mit einem Kontakt zum Boden, also zu unserem Planeten Erde, hat. Nur dann wirkt die Schwerkraft bzw. sog. Bodenreaktivkräfte und der Körper muss mobilisierend und stabilisierend der Schwerkraft entgegenwirken, diese überwinden oder mit ihr kräftemäßig das Gleichgewicht halten. Es werden dann insbesondere in Bezug auf die Stabilisierung der Hüfte und des Rumpfes viele Strukturen aktiv, die sitzend oder liegend nur eigeschränkt oder gar nicht arbeiten. Somit erfüllen diese Übungen die notwendige Funktionalität, wie sie auch im Alltag und letztendlich in erweiterter Form auch in den meisten Sportarten permanent abgerufen wird.


Funktionelle Bewegungsmuster
Um welche eben angesprochenen Bewegungsmuster handelt es sich nun? Bezogen auf unsere unteren Extremitäten und die Hüfte sind das jegliche Formen von Kniebeugen, auch die tiefe Kniebeuge, und jegliche Arten von Ausfallschritten und Split-Squats (engl. für geteilte Kniebeuge oder sog. einbeinige Kniebeuge). Allesamt sog. Muskelkettenübungen. Der Körper arbeitet im Alltag und in bewegungskomplexen Sportarten ausschließlich in geschlossenen Muskelketten, d.h. es wird eine funktionelle Arbeit über mindestens zwei Gelenke verrichtet,  wodurch intermuskulär, koordinativ gearbeitet wird, bei gleichzeitiger Verbindung des distalen (des von der Körpermitte entfernten) Endes zum Boden oder einem anderem Widerstand (womit die Kette geschlossen ist).



Wie sieht es nun mit isolierten Belastungen aus? Im Alltag kommen sie nicht vor (mir ist zumindest noch keine reine Bewegung isolierter Art im Alltag begegnet), dennoch haben sie ihre Zweckmäßigkeit. Ist ein Muskel massiv abgeschwächt und liegen dementsprechende Dysbalancen und Dysfunktionen vor, oder ist der Kunde innerhalb der Muskelkette nicht in der Lage diese muskulären Bereiche anzusteuern (gestörte Propriozeption), dann können isolierte Übungen Sinn machen. In Fachkreisen wird dann von dem Prinzip „isolation bevor innervation“ gesprochen. Dies bedeutet einen Muskel isoliert zu aktivieren, aufzubauen um ihn dann wieder funktionell effektiv in die Muskelkette zu integrieren.
Weitere funktionelle Bewegungsmuster sind die Hüft- und Rumpfstabilisierung und sog. Zug- und Druckbewegungen in den oberen Extremitäten. Desweiteren werden im funktionellen Training zusätzlich zu den auch rumpfstabilisierenden Grundübungen (Kniebeuge, Kreuzheben etc.) auch haltende Übungen zur Steigerung der Rumpfkraft trainiert (wird auch als „Core“- Training bezeichnet – core = engl. für Kern).
Besonders die Hüft- und Rumpfstabilität sowie -mobilität ist entscheidend. Genauso wie unsere Tragsäulen Beine ist unser gesamter Rumpf in der Hüfte verankert und wird von dieser getragen. Eine schwache, instabile und immobile Hüfte ist irgendwann nicht mehr in der Lage den Rumpf zu stabilisieren oder die Lendenwirbelsäule  zu entlasten sowie die Beine, insbesondere die Knie, vor Überlastungen zu schützen. Es entstehen sog. negative absteigende oder aufsteigende Ursache-Folge-Ketten. Eine bekannte amerikanische Physiotherapeutin (Shirley Sahrmann) hat das so formuliert: „if you have a weak muscle or injury, look for a weak synergist!“ - engl. für: “wenn du einen schwachen Muskel oder Verletzung hast, schaue direkt nach einem schwachen Mitspieler!”.
In leistungsorientierten, bewegungskomplexen Sportarten ist eine schlechte Hüft- und Rumpfstabilität wiederum leistungslimitierend für schnellkräftige Bewegungen der Beine (Schnelligkeit und Agilität), für die Schwerpunktkontrolle bei Richtungswechseln und die Kraftübertragung der Hüfte auf den Rumpf in die oberen Extremitäten (Kräftetransfer z.B. bei Schlag- oder Wurfbewegungen).
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Teil I Text Florian Münch

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