Functional Training versus Athletik Training? Nein,
nicht gegen, miteinander! Hiermit soll dargestellt werden, welche Ziele und
Inhalte ein funktionelles Training und eine athletisches Training haben. Es kursieren
viele Meinungen rund um das Thema Functional Training. Um dieses wertvolle
Thema nicht zur Büchse der Pandora werden zu lassen, dient dieser Artikel zum
Verständnis, zur Diskussionsgrundlage und zur Kompetenzermittlung für Trainer.
Die Funktion
Im Begriff funktionelles Training
steckt das entscheidende Wort, Funktion! Lt. Definition bezeichnet Funktionalität
die Fähigkeit einer Komponente, eine bestimmte Funktion oder Anzahl an
Funktionen zu erfüllen. Dies bezieht sich vor allem auf die Gebrauchstauglichkeit
(=Functional Rehab). Kann nun Gebrauchstauglichkeit das Ziel für unseren Körper
sein? Ja! Viele Menschen sind nicht in der Lage im Sinne einer schmerz- und
problemfreien Alltagstauglichkeit ihren Körper so zu benutzen, wie er es können
sollte. Dies gilt es zu erreichen. Aber auch das kann nicht das Ende der
Fahnenstange sein. Aber zunächst soll mit weiteren Begrifflichkeiten aufgeräumt
werden.
Viele bezeichnen das funktionelle
Training als zweckmäßig. In diesem Begriff steckt der Nutzen aus einer
individuell notwendigen Maßnahme. Muss diese zwangsläufig funktionell sein?
Nein! Beispielsweise der austherapierte Kreuzbandpatient, der nach
abgeschlossener Heilbehandlung und Physiotherapie noch wesentlich atrophiert (hier:
Atrophie = Muskelabbau) nun am Beginn seines Aufbautrainings steht, wird als
eine der ersten Maßnahmen u.a. den Aufbau seiner kniestabilisierenden
Muskulatur in Angriff nehmen. Hier können auch Übungen und Trainingsgeräte wie
z.B. die geführte Kniebeuge an der Beinpresse zweckmäßig sein, da sie es ihm
erlaubt erste höhere Intensitäten, dosiert, sicher und kontrolliert
abzuleisten. Gleichzeitig kann ein kontrolliertes, isoliertes Kraft- und
Beweglichkeitstraining der entsprechenden
Muskulatur sinnvoll und notwendig sein. Man kann diese Übungen aber
nicht als funktionell bezeichnen da eine wichtige Voraussetzung zur Förderung
körperlicher Funktionalität fehlt, der Einfluss der Schwerkraft auf den
Bewegungsapparat.
Unsere Erde und ihre
Schwerkraft
Eine wichtige Eigenschaft
funktioneller Übungen ist die Tatsache, dass der Trainierende „ground based“
ist bzw. steht. Das heißt der Sportler leistet Bewegungsmuster mittels Übungen
ab, bei denen er mit beiden Beinen oder zumindest mit einem Kontakt zum Boden,
also zu unserem Planeten Erde, hat. Nur dann wirkt die Schwerkraft bzw. sog.
Bodenreaktivkräfte und der Körper muss mobilisierend und stabilisierend der
Schwerkraft entgegenwirken, diese überwinden oder mit ihr kräftemäßig das
Gleichgewicht halten. Es werden dann insbesondere in Bezug auf die Stabilisierung
der Hüfte und des Rumpfes viele Strukturen aktiv, die sitzend oder liegend nur
eigeschränkt oder gar nicht arbeiten. Somit erfüllen diese Übungen die notwendige
Funktionalität, wie sie auch im Alltag und letztendlich in erweiterter Form
auch in den meisten Sportarten permanent abgerufen wird.
Funktionelle
Bewegungsmuster
Um welche eben angesprochenen
Bewegungsmuster handelt es sich nun? Bezogen auf unsere unteren Extremitäten
und die Hüfte sind das jegliche Formen von Kniebeugen, auch die tiefe
Kniebeuge, und jegliche Arten von Ausfallschritten und Split-Squats (engl. für
geteilte Kniebeuge oder sog. einbeinige Kniebeuge). Allesamt sog.
Muskelkettenübungen. Der Körper arbeitet im Alltag und in bewegungskomplexen
Sportarten ausschließlich in geschlossenen Muskelketten, d.h. es wird eine
funktionelle Arbeit über mindestens zwei Gelenke verrichtet, wodurch intermuskulär, koordinativ gearbeitet
wird, bei gleichzeitiger Verbindung des distalen (des von der Körpermitte
entfernten) Endes zum Boden oder einem anderem Widerstand (womit die Kette
geschlossen ist).
Wie sieht es nun mit isolierten
Belastungen aus? Im Alltag kommen sie nicht vor (mir ist zumindest noch keine
reine Bewegung isolierter Art im Alltag begegnet), dennoch haben sie ihre
Zweckmäßigkeit. Ist ein Muskel massiv abgeschwächt und liegen dementsprechende
Dysbalancen und Dysfunktionen vor, oder ist der Kunde innerhalb der Muskelkette
nicht in der Lage diese muskulären Bereiche anzusteuern (gestörte
Propriozeption), dann können isolierte Übungen Sinn machen. In Fachkreisen wird
dann von dem Prinzip „isolation bevor innervation“ gesprochen. Dies bedeutet
einen Muskel isoliert zu aktivieren, aufzubauen um ihn dann wieder funktionell
effektiv in die Muskelkette zu integrieren.
Weitere funktionelle
Bewegungsmuster sind die Hüft- und Rumpfstabilisierung und sog. Zug- und
Druckbewegungen in den oberen Extremitäten. Desweiteren werden im funktionellen
Training zusätzlich zu den auch rumpfstabilisierenden Grundübungen (Kniebeuge,
Kreuzheben etc.) auch haltende Übungen zur Steigerung der Rumpfkraft trainiert (wird
auch als „Core“- Training bezeichnet – core
= engl. für Kern).
Besonders die Hüft- und Rumpfstabilität
sowie -mobilität ist entscheidend. Genauso wie unsere Tragsäulen Beine ist
unser gesamter Rumpf in der Hüfte verankert und wird von dieser getragen. Eine
schwache, instabile und immobile Hüfte ist irgendwann nicht mehr in der Lage
den Rumpf zu stabilisieren oder die Lendenwirbelsäule zu entlasten sowie die Beine, insbesondere
die Knie, vor Überlastungen zu schützen. Es entstehen sog. negative absteigende
oder aufsteigende Ursache-Folge-Ketten. Eine bekannte amerikanische
Physiotherapeutin (Shirley Sahrmann) hat das
so formuliert: „if you have a weak muscle or injury, look for a weak
synergist!“ - engl. für: “wenn du einen schwachen Muskel oder Verletzung hast,
schaue direkt nach einem schwachen Mitspieler!”.
In leistungsorientierten,
bewegungskomplexen Sportarten ist eine schlechte Hüft- und Rumpfstabilität
wiederum leistungslimitierend für schnellkräftige Bewegungen der Beine
(Schnelligkeit und Agilität), für die Schwerpunktkontrolle bei
Richtungswechseln und die Kraftübertragung der Hüfte auf den Rumpf in die
oberen Extremitäten (Kräftetransfer z.B. bei Schlag- oder Wurfbewegungen).
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Teil I Text Florian Münch
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